Preisträger*innen
Preisträger*innen des Simon-Wiesenthal-Preises 2023
Preis für zivilgesellschaftliches Engagement für Aufklärung über den Holocaust:
Preisträger:
Centropa
Der Verein Centropa führte zwischen 2000 und 2010 Interviews mit mehr als 1.200 jüdischen Holocaustüberlebenden in 15 Ländern in Mittel- und Osteuropa, der ehemaligen Sowjetunion sowie auf dem Balkan. Diese Lebensgeschichten bieten einen einzigartigen Einblick in die Geschichte des 20. Jahrhunderts. 2016 begann Centropa mit Schulen in der Ukraine zu arbeiten. Als der Ukrainekrieg einsetzte, entwickelte Centropa eine Reihe von Onlineprogrammen für Lehrerinnen und Lehrer, um die Holocausterziehung dennoch fortsetzen zu können. Damit setzt Centropa ein wichtiges Signal und ein deutliches Zeichen der Solidarität.
Nominierte:
Heidemarie Uhl (verstorben 2023)
Die Historikerin Heidemarie Uhl engagierte sich jahrzehntelang für die Aufarbeitung des Holocaust und die Gedenk- und Erinnerungskultur in Österreich. Ihre Forschungsschwerpunkte lagen unter anderem im Bereich Memory Studies – Gedächtniskultur und Geschichtspolitik mit Schwerpunkt Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg und Holocaust. Uhl gestaltete als Mitglied zahlreicher Kommissionen und Beiräte die österreichische Geschichtspolitik mit. Ihre federführende Rolle bei Ausstellungen im öffentlichen Raum verdeutlicht ihr Engagement gegen Antisemitismus, das maßgeblich über wissenschaftliches Interesse hinausging.
Alois und Erna Will
Als vierjähriges Kind wurde Alois Will Zeitzeuge einer Erschießung unbekannter KZ-Häftlinge während der Todesmärsche im April 1945. Er konnte das ihm als Kleinkind widerfahrene Ereignis über Jahrzehnte nicht vergessen und errichtete 2010 gemeinsam mit Unterstützerinnen und Unterstützern und der Polytechnischen Schule Mank Melk ein Mahnmal, um an die Opfer zu erinnern. Die Initiative des Ehepaars Will trägt dazu bei, dass viele junge Menschen eine direkte persönliche Beziehung zur sonst für sie so abstrakten (Zeit-)Geschichte erfahren. Mit der Mahnsetzung vor die eigene Tür zeigen Alois und Erna Will, dass kleine Gesten große Bedeutung haben können.
Preis für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus:
Preisträger:
Asociación Cultural Mota de Judíos
Das spanische Dorf Castrillo Matajudíos hat seinen Namen nach einem Referendum und der Zustimmung der Regionalregierung offiziell wieder in den vor 1632 benutzten Namen Castrillo Mota de Judíos geändert. Das Dorf mit etwa 50 Einwohnerinnen und Einwohnern hatte 2014 für die Namensänderung gestimmt. Der Kulturverein Mota de Judíos hat sich zum Ziel gesetzt, das historische Erbe der Provinz Burgos wiederzubeleben und aufzuwerten. Das Hauptziel des Vereins ist die Förderung der Erhaltung und des Schutzes des kulturellen Erbes des Dorfes, mit besonderem Augenmerk auf all jene Manifestationen, die mit der jüdischen Vergangenheit der Stadt verbunden sind.
Nominierte:
ELNET

Das European Leadership Network (ELNET) engagiert sich als Denkfabrik und Netzwerkorganisation im Kontext der europäischisraelischen Beziehungen. Der Fokus liegt auf den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik, Antisemitismus und Innovation. Mit der Bildungskampagne „Fragemauer – 2.641 Fragen über das Judentum und jüdisches Leben in Deutschland“ sammelt, veröffentlicht und beantwortet ELNET Fragen zum Judentum. Die Bildungskampagne soll Wissen, Verständnis und Nähe schaffen sowie gegen Hass, Diskriminierung und Unwissen antreten.
SOS Mitmensch

SOS Mitmensch kämpfte jahrelang gemeinsam mit anderen Organisationen und Holocaustüberlebenden für die Einstellung der rechtsextremen, antisemitischen Zeitschrift „Aula“ und für die Anklage des Verantwortlichen wegen Verdachts der NS-Wiederbetätigung. Der Kampf gegen die „Aula“ steht beispielhaft für den erfolgreichen Druck, den eine engagierte Zivilgesellschaft gegen antisemitische Umtriebe entwickeln kann. SOS Mitmensch hat mit aufwändiger Recherche, präziser Kritik sowie druckvoller Öffentlichkeitsarbeit maßgeblichen Anteil an der Einstellung der „Aula“ und am Vorhaben der Justiz.
Hauptpreis für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und für Aufklärung über den Holocaust:
Preisträger:
Likrat (Österreich & Schweiz)
LIKRAT ist ein Dialogprojekt, das 2002 in der Schweiz gegründet wurde und das es seit 2015 auch in Österreich gibt. Es bringt jüdische und nicht jüdische Jugendliche zusammen. In Seminarreihen werden jüdische Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren ausgebildet, um in diversen Bildungseinrichtungen und Institutionen über ihre jüdische Identität, Religion, Israel, Geschichte und die Shoah zu sprechen. Der offene Peer-to-Peer-Dialog fördert den Abbau von Stereotypen und möglichen Vorurteilen sowie das Ansprechen von Tabus und Missverständnissen – ein professionelles und innovatives Vermittlungskonzept.
Nominierte:
AMCHA (Israel)

AMCHA wurde 1988 als Organisation von Holocaustüberlebenden für Holocaustüberlebende gegründet, um diesen sowie den ihnen nachfolgenden Generationen bei der Bewältigung von Traumata zu helfen. An 15 Standorten werden in den sogenannten AMCHA-Zentren insgesamt etwa 15.000 Menschen (Jahresbericht 2022) betreut. Zu den Leistungen von AMCHA Israel gehören Einzelgespräche mit professionellen Therapeutinnen und Therapeuten, Gruppenangebote und Besuchsdienste durch Freiwillige. Daneben ist auch die pädagogische Bildungs- und Vermittlungsarbeit ein wichtiger Bestandteil der Organisation.
Casa Stefan Zweig (Brasilien)

Die Casa Stefan Zweig ist ein privatrechtlicher gemeinnütziger Verein mit Sitz in Petrópolis in Rio de Janeiro. Der Verein wurde 2006 mit dem Ziel gegründet, ein Museum zur Erinnerung an Stefan Zweig und andere im Nationalsozialismus verfolgte Künstlerinnen und Künstler, Intellektuelle sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu errichten. Die Aktivitäten der Casa Stefan Zweig sollen – besonders in Hinblick auf die jüngeren Generationen – das Bewusstsein für die Gefahren des Antisemitismus, des Rassismus und der Entrechtung von Minderheiten sowie das Engagement für Integration stärken.
Jan Grabowski (Kanada)

Jan Grabowski ist Historiker und Geschichtsprofessor an der Universität Ottawa. Er forscht unter anderem zu Fragen der Vernichtung der polnischen Jüdinnen und Juden sowie zur Geschichte der jüdisch-polnischen Beziehungen in der Zeit von 1939 bis 1945. Grabowski ist einer der entschiedensten Befürworter der Holocausterziehung in Polen. Seine Auftritte in Presse, Fernsehen und Radio haben dazu beigetragen, dass das Thema Holocaust in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatten gerückt ist. Grabowski wird, ebenso wie andere kritische polnische Historikerinnen und Historiker, seit Jahren angefeindet und unter Vorwänden juristisch verfolgt.